al-Samidoun

Kommentare und Berichte zu Politik, Religion und Kultur mit Fokus auf den Nahen Osten.

Mittwoch, 10. November 2010

Das Problem des "Arabisch (-islamischen) Antisemitismus"

“‘Allmacht und Ohnmacht.’ Zur Theorie und Praxis des arabisch(-islamischen) Antisemitismus.” lautete die Ankündigung einer Veranstaltung, die ich mir - bei diesem Titel - selbstverständlich nicht entgehen lassen konnte.

Natürlich ging ich mit einer Portion Skepsis zum Vortrag. Nicht zuletzt, weil der Referent Malte Gebert auch für die jungleworld als Schreiber tätig war und das antideutsche Spektrum - gelinde gesagt - nicht gerade bekannt ist für seine haarscharfen Analysen der arabischen Welt.

Meinen Befürchtungen zum Trotz war der Vortrag dann aber doch nicht so schlimm wie man vielleicht erwartet hätte. Das lag aber vor allem daran, dass er - möglichweise zeitbedingt - relativ kurz und oberflächlich war.

Dennoch gab es einige Kritikpunkte.

Zwar machte der Titel klar, dass es um arabischen Antisemitismus gehen sollte, doch schränkte der Vortragende den geographischen Rahmen auf Ägypten und die Palästinensischen Autonomiegebiete ein. Die anderen knapp 21 Länder der arabischen Welt sollten also vorerst unter den Tisch fallen.
Außerdem sollte nur der „arabisch-islamische Antisemitismus“ beleuchtet werden was bedeutete, dass nicht nur die Rolle der arabischen Christen bei der Entstehung und Verbreitung antisemitischer Ideen unberücksichtigt blieb, sondern auch der Antisemitismus bei den Arabern ohne große "islamische Ambitionen". Dass trotzdem die antisemitischen Aussagen eines Gamal Abdel Nassers in den Kontext miteinbezogen wurden, zeigte abermals die fragwürdige Abgrenzung die solche Äußerungen in die Schublade des „islamischen“ Antisemitismus steckte, obwohl sie höchstwahrscheinlich aus gänzlich anderen Motivationen heraus entstanden sind.

Nasser war vieles aber kein Mensch der sich in der Öffentlichkeit streng islamisch gab. Islamistische Vordenker wie Rashid Rida wurden, trotz ihrer maßgeblichen Rolle für die Verbreitung antisemitischen Gedankenguts dagegen nicht behandelt. Für eine Analyse des Phänomens wäre dies aber wesentlich sinnvoller gewesen. Warum also diese Auswahl?

Weil es eher um Sensation als um Analyse geht? Wurde die christliche Rolle deswegen ausgelassen, weil sie nicht in das Bild des "arabisch(-islamischen) Antisemitismus" passt?

Denn an der Verbreitung antisemitischer Vorstellungen waren arabische Christen nicht unbeteiligt. Einige der ersten Übersetzungen von „Mein Kampf“ kamen aus dem Umfeld arabischer Christen (z.B. von Yusuf al-Sab'awi).

Warum wurden diese Fakten ausgeblendet?

Gebert erwähnte zwar, dass die unsäglichen Protokolle der Weisen von Zion tatsächlich sehr früh nach ihrem Erscheinen in Europa auch in der arabischen Welt zirkulierten, vergaß aber mitzuteilen, dass die erste arabische Übersetzung vom maronitischen Christen Antun Yammin stammte.

All das passt natürlich nicht so ganz in das Konzept des ausdrücklich „islamischen“ Antisemitismus in der arabischen Welt.
Fraglos ist Judenhass ein Phänomen welches sich auch durch die Geschichte des Islams zieht, aber den Antisemitismus der arabischen Welt vornehmlich mit dem Islam zu erklären ist ein fragwürdiges Unternehmen.

Größter Kritikpunkt, und dieser betrifft nicht wenige der westlichen Autoren die nun plötzlich über die arabische Welt schreiben ist der, dass der Referent offensichtlich des Arabischen nicht mächtig ist.
Ohne gute Sprachkenntnisse ist man jedoch auf Übersetzungen angewiesen die nicht selten aus fragwürdigen Quellen stammen, welche sehr selektiv darüber entscheiden welche antisemitischen Aussagen übersetzt werden und welche nicht. Es ist schon auffällig, dass MEMRI und Co bei den antisemitischen Ausfällen so genannter „pro-westlicher“ Persönlichkeiten gerne mal beide Augen zudrücken.
Die Forschung über die Verankerung von Antisemitismus in den arabischen Gesellschaften erfordert es einfach, dass man sich mit den Angehörigen dieser Gesellschaften auch auf der Landessprache unterhalten kann. Dass man die Medien in der Originalsprache lesen kann und dass man dadurch auch die Gegenbeispiele in den Medien kennen lernt, die nicht übersetzt werden, da sie eben nicht spektakulär genug für eine Übersetzung sind.


Es gibt mittlerweile dutzende Bücher zum Thema Islam und Antisemitismus. Der Großteil davon ist zwar politisch motivierter Schrott von Leuten die kein Arabisch sprechen, sich aber trotzdem zu Experten der arabischen Welt erklären, aber es gibt durchaus das ein oder andere wirklich empfehlenswerte Werk.

Das Buch "The Arabs and the Holocaust" von Gilbert Achcar sticht dabei besonders hervor. Nicht nur weil der Autor als Muttersprachler einen gänzlich anderen Zugang zu den Quellen hat, sondern weil er sich tatsächlich bemüht objektiv das Thema zu beleuchten ohne das Problem kleinzureden oder maßlos zu übertreiben.

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