al-Samidoun

Kommentare und Berichte zu Politik, Religion und Kultur mit Fokus auf den Nahen Osten.

Samstag, 22. September 2012

Bewohner von Benghazi stürmen Hauptquartier der Salafisten

Riesig war der Demonstrationszug gestern im libyschen Benghazi, elf Tage nach wütenden Protesten und der Erstürmung der US-Botschaft anlässlich eines Trash-Movies über Personen mit Bärten und langen Gewändern.
Warum über diesen gestrigen "Muslim Rage" Mob jedoch heute nur vereinzelt in den Zeitungen berichtet wird liegt wohl daran, dass nicht gegen irgendwelche "Beleidigungen" gewaltsam vor europäischen oder amerikanischen Botschaften demonstriert wurde.
Stattdessen fand eine „Save-Bengasi-Demonstration" statt, bei der die Teilnehmer unter anderem gegen die verschiedenen Milizen der Region protestierten, die sich dort nach dem Sturz Qaddafis festgesetzt hatten. Der Zorn richtete sich vor allem auf die salafistisch-dschihadistische Miliz "Ansar al-Shari'a" die verdächtigt wird, an der Erstürmung der US-Botschaft und der Ermordung des Botschafters Christopher Stevens beteiligt gewesen zu sein.

Das Hauptquartier der Gruppe wurde von Demonstranten umstellt, die lautstark die Auflösung der Milizen forderten. Zwar versuchten salafistische Milizionäre noch mit Schusswaffen und islamistischen Bannern eine Drohkulisse aufzubauen, als sich jedoch trotzdem immer mehr Menschen der Demonstration anschlossen, mussten die Salafisten weichen. Das Hauptquartier wurde schließlich von der Bevölkerung gestürmt, in Brand gesetzt und anschließend von der Polizei übernommen.
Einer der Demonstranten erklärte in Bezug auf die Salafisten, dass er es leid sei von bewaffneten Männern in afghanischer Kleidung in den Straßen angehalten zu werden und Befehle zu erhalten.

Karim el-Gawhary schrieb dazu auf Twitter, dass es kaum überbewertet werden könne, dass die Bevölkerung zum ersten Mal in Eigenregie mit militanten Salafisten aufgeräumt habe.

Es ist interessant zu sehen, wann in den hiesigen Medien über Demonstrationen von wütenden Muslimen berichtet wird. Die Erstürmung eines salafistischen Unterschlupfs durch die Bevölkerung scheint jedenfalls nicht besonders erwähnenswert zu sein.

In Kairo, wo man weitere Ausschreitungen nach dem Freitagsgebet befürchtete, blieb es dagegen vollkommen ruhig. Lediglich ein müdes Häuflein von 20 Personen fand sich vor der französischen Botschaft ein, um gegen den berüchtigten Abaya und Säbel-Film und Karikaturen in der Satirezeitschrift Charlie Hebdo zu demonstrieren. Man hat andere Probleme.

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